Bei der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen ist dem Schuldner neben seinem eigenen notwendigen Unterhalt das pfandfrei zu belassen, was er “zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigte” benötigt (§ 850d Abs. 1 S. 2 ZPO). In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass der Schuldner dem vorrangigen Unterhaltsberechtigten jedoch nur einen Teilbetrag des geschuldeten Unterhalts zahlt.
Beispiele: Die Unterhaltsvorschussstelle vollstreckt übergegangene Unterhaltsrückstände oder die Ehefrau laufenden Trennungsunterhalt. Der Schuldner hat ein minderjähriges Kind, dem er einen monatlichen Barunterhalt von 267,00 € schuldet. Nach dem Vermögensverzeichnis des Schuldner gewährt er jeweils tatsächlich nur 50,00 € monatlich.
In diesen Fällen stellt sich die Frage, welcher Betrag dem Schuldner zusätzlich zu seinem eigenen notwendigen Unterhalt pfandfrei zu belassen ist. Der geschuldete Unterhalt (im Beispiel 267,00 €) oder der tatsächlich gezahlte Unterhalt (im Beispiel 50,00 €). Für den vollstreckenden Gläubiger kann der Unterschied signifikant sein.
Der BGH hatte 2010 entschieden, dass — zum Nachteil des vollstreckenden Gläubigers — die Höhe des geschuldeten Unterhalts maßgeblich sei (BGH, Beschluss vom 05.08.2010, Az. VII ZB 101/09). Im Jahr 2014 hatte der BGH daran zwar gezweifelt, seine bisherige Rechtsauffassung aber (noch) nicht aufgegeben (BGH, Beschluss vom 17.09.2014, Az. VII ZB 22/13).
Soweit ersichtlich, hat nun erstmals ein Landgericht entschieden, dass an der Rechtsprechung des BGH nicht festgehalten werden könne und dem Schuldner zusätzlich zu seinem eigenen notwendigen Unterhalt lediglich der Betrag pfandfrei belassen werden könne, den er tatsächlich an den vorrangigen Berechtigten zahle (LG Leipzig, Beschluss vom 22.04.2020, Az. 03 T 669/19). Es hat sich damit unter anderem meiner Rechtsauffassung angeschlossen (siehe Benner, NZFam 2019, 845, 848).
Die Entscheidung des LG Leipzig habe ich in der NZFam 2020, 536 besprochen.
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